Stückwerk der Liebe

Das Stückwerk der Liebe

Das Stückwerk der Liebe

Edition Tandem, ISBN 978-3-902932-16-7, Preis € 19,80 Aktion: In Österreich versandkostenfrei, im Ausland bitten wir die Portokosten zu übernehmen.

Raphael ringt um seine Liebesfähigkeit. Hin und her gerissen zwischen seiner langjährigen Partnerin Anna und der jungen erotischen Carmen, leidet er unter dem Zwiespalt, denn schon als junger Mann hatte er die “Kunst des Liebens“ zu seinem Ideal erklärt.

Aus dieser Situation reißt ihn ein Unfall, er fällt ins Koma, pendelt zwischen wachen Augenblicken und einem inneren Film, in dem er Kriegserlebnisse seiner Eltern, ihre brüchige Liebe und seine eigene schwere Kindheit vor sich ablaufen sieht, seinen Aufbruch aus einer engen, kleinbürgerlichen Welt und seine verworrenen Beziehungen mit Frauen.

Raphaels innere Reise zeigt Verflechtungen von Familienschicksalen mit der Geschichte Österreichs, verdeutlicht wie die Suche nach Identität gelingen kann und wie sehr eine Liebesbeziehung bewusste Entscheidungen und Versöhnung, auch mit der eigenen Vergangenheit, braucht.

Der Roman entstand aus Gesprächen mit Zeitzeugen, Tagebüchern und Briefen, auch Szenen aus dem Werdegang des Autors sind eingeflossen.

„In dieser sorgfältig dargestellten Erzählung werden sich viele Menschen wiederfinden.“ Christine Haidegger

„… großartig, macht Mut, das Leben auch in Schieflage, zuversichtlich in die Hand zu nehmen! Beim Lesen sehe ich die Handlung wie einen Film vor mir.“ Martin Haidinger

„… hautnah spürbar, wie sehr Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensgeschichte zum Gelingen von Liebesbeziehungen beitragen kann.“ Maga Gertraud Sachs, Germanistin und Supervisorin, Salzburg

„Spannend und poetisch beschrieben, ein Tipp um Eltern und Großeltern besser zu verstehen.“ Elisabeth Fritzenwallner, Beraterin St. Martin bei Bischofshofen

„Ich habe vieles von meinem eigenen männlichen Entwicklungsweg wiedererkannt.“ Mag. Peter Laninschegg, Psychotherapeut & Musiker

Buchmesse Leipzig: Präsentation „Das Stückwerk der Liebe“

Weitere Rezensionen:

LSB-ZEITUNG Günter Schwiefert, Lebensberater, Hallwang
Paul Lahninger versteht es nicht nur den Leser in den Bann zu ziehen, sondern auch generationenübergreifende Zusammenhänge klar zu machen. Dieses Buch ist mehr als ein Roman, fast ein Lehrstück für die mühevolle Befreiung aus familiären Verstrickungen, aus einseitiger Leistungsorientierung, aus starren Regeln in der Erziehung und der Suche nach neuen Formen in der Beziehung, in der Liebe, in der Kindererziehung. In klarer und poetischer Sprache erzählt der Autor von dem was unser Leben bedeutsam macht: vom Sich-Verlieben, Streiten, Trennen, von Auseinandersetzungen im Beruf und in Beziehungen. Dieses Buch bewegt durch die hautnahe Schilderung und macht Mut, sich auf den Weg zu einem selbstbestimmten Leben zu machen.

(gekürzte Rezension) DAS LEBEN VERSTEHT MAN ERST IM RÜCKBLICK Waltraud Prothmann, für „die Welt der Frau“
In der mit berührender Intensität erzählten Entwicklungsgeschichte eines suchenden Mannes begegnen wir einem einfühlsamen Autor, der uns – wie einst Erwin Ringel – die Augen für so manchen Abgrund der „österreichischen Seele“ öffnet. Zugleich gelingt es diesem spannenden Roman, der auch aus authentischen Quellen stammt, ein Zeichen für innere Befreiung zu setzen, wie wir sie nur durch Einsicht erlangen.

(gekürzte Version) DAS BUCH DES MONATS HansPeter Grass, Friedensbüro Salzburg
Über 5 Generationen hinweg erzählt dieser leicht lesbare, bildhafte Roman von beglückenden wie belastenden Szenen als Ehemann, Vater, Sohn, Geliebter. In diese Handlung webt Paul Lahninger zeitgeschichtliche Ereignisse ein: vom Zusammenbruch des Habsburgerreiches, Faschismus, Holocaust und Staatsvertrag über die Beatles-Kultur der Sechzigerjahre bis zum EU-Beitritt. Paul Lahningers Roman, geprägt von leidenschaftlichem Engagement und Mut zur Konfrontation, wird zum politischen Bekenntnis.

PERSÖNLICHE RÜCKMELDUNGEN

„Ein reichhaltiger Blick auf das Leben in großer Offenheit, Lebensfreude und Bereitschaft, auf andere zuzugehen.“
Markus Göller, Perchtoldsdorf

„Dieses großartige, berührende Buch macht Mut, das eigene Leben, auch in Schieflage, zuversichtlich in die Hand zu nehmen!“
Martin Haidinger, Journalist ORF Wien, Ö1

„Ein Psychothriller, schonungslos ehrlich.“
Georg Bydlinski, Mödling, Schriftsteller 

„Äußerst pointiert erzählt Paul Lahninger von Bewältigung und Versöhnung und macht deutlich, wie sehr die Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensgeschichte zum Gelingen von Liebesbeziehungen beitragen kann.“
Maga Gertraud Sachs, Germanistin und Supervisorin, Salzburg

„Beeindruckend, im Lesen tauchten Erinnerungen auf, auf die ich zuvor keinen Zugriff hatte…… ich bin zutiefst berührt.“
Conny Hauptfleisch, Kalletal, BRD

„Endlich wieder ein Buch, das mich fasziniert: ein außergewöhnlicher Roman voller Denkanstöße.“
Bea Pichler, St. Johann im Pongau

„Faszinierende Schilderung der schrittweisen „Heilung“ einer Familie über Generationen, ein ermutigendes Buch, besonders für Männer, Ihren authentischen Weg im eigenen Leben und als Väter zu gehen.“
Daniel Gajdusek-Schuster, Tribuswinkel

„Es war wie ein Sog. Ich sah und spürte die Bilder, habe die Freuden und Nöte des Kindes, Jugendlichen und jungen Mannes miterlebt. Einige Tage war ich noch im Bann der Geschichte.“
Reinhold Rabenstein, Supervisor und Psychotherapeut, Linz

„Endlich wieder ein Buch, das mich versöhnlich stimmt und stärkt.“
Angelika Faccinelli GPZ Innsbruck

„beeindruckend, tiefgründig, zugleich liest es sich flüssig und leicht.“
Reinhard Urban, Wien

„berührend, mitreißend, sehr schön erzählt, dass wir durch unsere LebensGeschichte „gebunden“, oft nur in Stückwerken leben und lieben.“
Margarita Paulus, Salzburg

„Ich habe das Buch in einem Zug gelesen – so sehr hat es mich hineingezogen und viele eigene Erinnerungen und Reflexionen angeregt.“
Dr. Klaus Scala, Universität Graz

„Paul Lahninger lädt auf eine Reise ein, in der eine Begegnung mit dem eigenen Ich möglich wird.“
Dr. Katarzyna Schubert-Panecka, Karlsruhe

„Dieses schöne Buch hat mir geholfen einen frischeren Blick für meine Eltern zu gewinnen.“
Andrea Gruber, Trainerin, Innsbruck

„Der Roman hat es mich schnell in seinen Bann gezogen: ein Buch zum „Verschlingen“: sehr wertvoll.“
Silvia Ehrengruber, Traun, OÖ

„… fesselnd und berührend, sehr empfehlenswert!“
Anna Krutzler, Wien

„Mir wurden Erinnerungen bewusst, die irgendwo geschlummert haben.“
Angela Rüdiger, Tübingen

„… lädt ein, der Frage näher zu kommen: Wie wurde ich zu dem der ich bin?“
Walter Fritsch, Vöcklamarkt

„… toll geschrieben, ich konnte mich bestens in vergangene Zeiten hineinversetzen.“
Birgit Kaltenböck, Salzburg

„Ich habe beim Lesen ein Stück meiner Herkunft wiedergefunden.“
Hildegard Hofer, Salzburg

„Ein Erfolg versprechender Roman.“
Christine Haidegger, Salzburg, Schriftstellerin

„Ein Lebensweg mit viel Lebensmut und Lebensfreude trotz aller Schwierigkeiten.“
Maria-Christina Eggers, Katharina-Werk, Zürich

„Spannend zu lesen, poetisch beschrieben, ein Tipp für junge Menschen, die ihre Eltern und Großeltern besser verstehen möchten.“
Elisabeth Fritzenwallner, Beraterin St. Martin bei Bischofshofen

„Ich habe in dieser generationenübergreifenden Geschichte vieles von meinem eigenen männlichen Entwicklungsweg erkannt. Ein gelungenes Beispiel für ’seelische Trümmerarbeit‘.“
Mag. Peter Laninschegg, Psychotherapeut & Musiker

„berührend, mit vielen wertvollen Einsichten“
Mag. Ana Znidar, Wien, http://anaznidar.com//

„ Ein geniales Buch! Ich habe es „verschlungen“, konnte mich nicht mehr losreißen vom Lesen.“
Mag. Christine Kaltenleitner, Oberösterreich

„…, bin tief berührt, habe es mit Freude gelesen.“
Marianne Rodharth, NÖ

„Dieses gelungen aufgebaute Buch hat mich sofort gefesselt, ich fand darin einen liebevollen und heilsamen Blick auf die bunte Mischung des Lebens. Diesem besonderen Blick zu folgen wird dazu beitragen, Narben heilsam zu berühren und den persönlichen Weg im Umgang mit der eigenen Geschichte zu gehen.“
Elisabeth Wagner, Linz

„Man findet diese Art Bücher so selten: wunderbarer Erzählstil, berührt und macht nachdenklich!“
Bettina Hemetsberger, Mondsee, www.eventschiff.at

„… erschütternd und wunderbar…“
Martina Schild, Salzburg

„Ein Buch, das zuversichtlich stimmt!“
Elfriede Bachleitner, Salzburg

Leseprobe zum Buch „Das Stückwerk der Liebe“

… Verwundete Seelen

Schnee lastet auf den Schindeldächern der vier Bauernhöfe, die sich vor dem Gebirge ducken, mit Mauern aus rohen Steinen und Holz. Einer der vier liegt nahe am Hang, im Inneren des Hofes dampft der Misthaufen. Der Berg aus Kuhfladen wächst, als die junge Bäuerin den Stall ausmistet, Schaufel für Schaufel den Dung hinausträgt, keuchend nach oben wirft. Schweiß tropft auf ihren löchrigen, mehrfach geflickten Rock, aufgenähte Stoffreste fügen zusammen, was haltlos auseinanderfallen möchte. Ein schwarzes Kopftuch hilft, den Knoten geflochtener Haare hinter dem Kopf zu halten. Die Frau ist jung, fast noch ein Mädchen, ihr Gesicht hart und verschlossen.
Sie hat die Kühe gemolken, Schweine und Hühner gefüttert, die beiden Pferde getränkt, und nun, da sie mit dem Ausmisten fertig ist, geht sie in die Stube, wo die Altbauern schon sitzen. Eine einsame Kerze flackert auf dem groben Tisch aus Kirschholz, es ist Zeit für die Suppe, wortlos setzt sich die Jungbäuerin dazu. Sie soll den Hof erben von den Alten, die kinderlos geblieben sind. Die Alten, das sind ihre Tante und deren Mann. Vor sieben Jahren hat sie den Bauernhof der Eltern verlassen müssen, da hat diese schlimme Zeit begonnen. Sie hat schon daheim fest mit anpacken müssen bei der Feldarbeit, Gras mähen, Getreide und Kartoffeln einbringen, melken und ausmisten. Doch gemeinsam mit ihren sieben Geschwistern war das etwas anderes, oft fröhlich und leicht. Sie hat Rotz und Wasser geheult, als sie weg musste von daheim, zum Hof der Tante. Sie war vierzehn, damals hat der Weltkrieg begonnen, seither schuftet sie jeden Tag von vier Uhr früh bis zum Schlafengehen. Nur am Sonntagvormittag ruht die Arbeit für den Kirchgang.
Das Tischgebet übertönt das Summen der Fliegen, drei Löffel tauchen ein in die Schüssel. Beim Essen wird nicht geredet, und die junge Frau vermeidet es, den Altbauern, ihren Onkel, anzusehen. Unter der Schürze ballt sie die Faust, wenn sie ihm gegenübersitzt, er ist ein böser, böser Mensch, und sie will nicht daran denken, was er mit ihr gemacht hat, damals, als sie mit ihm allein gewesen ist, weil die Tante geholt worden ist, dem kranken Steinberger zu helfen.
Die Tante legt den Löffel weg: „Es wird Zeit, dass du heirat’st, Rosi! Der Bub vom Nachbarn, der Jakob, der würd‘ dich nehmen, wir haben das schon aus’gredt.“
Rosi tut, als wäre sie überrascht. „Na, wennst‘ meinst, Tante!“
„Ist besser, du heiratest schnell“, murmelt der Altbauer, „wer weiß was für Zeiten noch kommen, jetzt nach dem Weltkrieg, wo Österreich zerfallen ist und kein Kaiser mehr da ist.“
Rosi lächelt, als sie vom Tisch aufsteht um das Kochgeschirr zum Brunnen hinauszutragen, doch sie achtet darauf, dass der Alte ihr Gesicht nicht sehen kann, gerade wenn sie fröhlich ist, will sie nichts mit ihm zu tun haben.

Draußen in der Welt beginnt das Jahr 1922. Frühling und Herbst bringen die schwerste Arbeit, da packt der Jungbauer schon mit an auf Rosis Feldern, ein glühend heißer Sommer zieht durch das Land, einige der Ältesten im Dorf sterben, nur ungern unterbrechen die Bauern ihre Arbeit für ein Begräbnis.

Nebel hängt in den kahlen Bäumen rund um den Hof. Unruhig werfen die Kühe den Kopf hin und her, als der Bauer den Stall betritt.

Täglich wird sie um dieselbe Zeit gemolken, heute ist es später geworden. Der junge Mann streicht sich den Schnauzbart, stellt einen verdreckten Schemel vor die erste der fünf Kühe, den Bleicheimer darunter, setzt sich und beginnt zu melken. Die Kuh schlägt mit dem Schwanz und muht, als wollte sie protestieren. „Ja“, sagt der Bauer zu ihr, „ich weiß, Melken ist Frauenarbeit, aber mei‘ Rosi liegt in den Wehen.“

Der Mann hat den Stall ausgemistet und die Milch in die Küche getragen, Rosi steht am Herd. In der Stube schreit das Neugeborene. „Ein Bub ist’s“, sagt die Hebamme zum Bauern.
„Is‘ recht“, antwortet dieser, nimmt das Kind hoch, hinter dem Schnurrbart lächelt er: „Morgen wirst ‚tauft, dann weißt, wie du heißt.“
„Jakob, die Ferkel warten „, ruft Rosi, „mach weiter mit deiner Arbeit.“ Rasch legt der Mann das Kind hin und geht in den Stall.

Vom Hof kann man bis zur Kirche sehen, doch mit dem Baby brauchen sie fast zwei Stunden bis nach Schwendendorf. Rosi geht langsamer als sonst, Jakob trägt seinen Sohn auf dem Arm, einen Tag alt, eingehüllt in dicke Tücher.
„Wird bald Schnee geben“, sagt Jakob, als sie losstapfen, um hinunter zum Bach, durch den Wald, und dann hinauf zur Kirche zu gelangen.
Der Nieselregen hat ihre grünen Mäntel durchnässt, als sie in die Kirche treten. Der Pfarrer und der Taufpate warten schon, ein Ministrant mit fleckigem Gesicht steht hinter ihnen, jeder Schritt hallt in der kleinen Kirche. Der Taufbrunnen steht seitlich vom Altar, dahinter ein dunkles Gemälde, Gott Vater blickt aus dem Himmel direkt auf den Taufbrunnen.
„Gelobt sei Jesus Christus! Der Herr hat uns die Taufe geschenkt, um aus Heidenkindern Christen zu machen und sie vor dem Feuer der Hölle zu bewahren. Ihr, die ihr junge Eltern seid, leitet das Kind auf dem rechten Weg weiter, führt es nicht in Versuchung! Die Brust der Mutter ist ein Werk des Teufels, das Stillen der Kinder weckt schon deren Begierde. Widersteht den Trieben des Fleisches! Widersagt ihr dem Teufel?“
„Wir widersagen!“
„Und allen seinen Verführungskünsten?“
„Wir widersagen.“
„Ich taufe dich auf den Heiligen Johannes, im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.“
Als die jungen Eltern vor die Kirche treten und sich auf den Heimweg machen, schreit der kleine Christ nicht anders, als er vor der Taufe geschrien hat. Wortlos geben sie dem Ministranten ein paar Eier und ein Stück Speck für den Pfarrer. Mit einem halblauten „Vergelt’s Gott“ läuf dieser in die Sakristei. Das Paar macht sich auf den Heimweg, der kleine Hannes schläft ein, als sein Vater ihn aus dem Dorf trägt.
„Hast g’hört, was der Pfarrer g’sagt hat übers Stillen?“
„Natürlich hab ich’s g’hört, was fragst denn da. Hol mir die zwei Schülerdirndl vom Nachbarn. Ich mach das schon.“
Daheim setzt sich Rosi ins hintere Eck der kleinen Küche, ihre Brust schmerzt, der kleine Hannes schreit. Jakob zieht das Sonntagsgewand aus, die löchrige Arbeitshose an, schlüpft in die Holzpantoffel und geht in die Scheune. Rosi drückt an ihrer Brust herum, lässt ihre Milch in die Schüssel tropfen.
Die Nachbarmädchen kommen, Rosi hat die Schüssel halb voll.
„Da habt’s einen Löffel, gebt’s dem Buben die Milch. Dann nehmt’s den Leiterwagen und fahrt’s mit ihm vor der Haustür hin und her, bis er schläft. Da ist ein Polster, und mit der Deck’n da deckt’s ihn zu.“
Rosi geht hinaus in den Stall. Kurz darauf hört sie die Holzräder des Leiterwagens knirschen, die Mädchen wissen, dass sie tun müssen, wie es ihnen befohlen ist. Hannes schläft nicht gleich ein, er strampelt, die Decke rutscht auf die Seite, da schlägt ihn das größere der beiden Mädchen.
„Dummer Bub!“, ruft sie und bindet die Decke an den Sprossen des Leiterwagens fest.
Am Abend kommt Rosis Tante, die seit dem Tod ihres Mannes im hinteren Teil des Hofes wohnt, in die Stube. Sie nimmt den kleinen Hannes in die Arme, trägt ihn herum, und im Rhythmus ihrer schwerfälligen Schritte singt sie: „Bist mei Herzkratzerl, bist mei lieber Bua, du sollst fein schlafen, kumm, i‘ deck di‘ zua.“
Rosi sitzt in der Küche und bereitet das Futter für die Schweine, dumpf scheppert der Blechkübel, als sie die Kartoffel hineinwirft …

…Vorsehung

Die Herbstsonne wärmt die Berge vor Wien. In den Weingärten der Südhänge gehen Winzer daran, Trauben in Bottiche zu klauben, es werden volle Fässer werden dieses Jahr.
Mit Herzklopfen bis zum Hals kommt Elsa zum vereinbarten Treffpunkt am Rand des Wienerwaldes. Sie zupft ihre Bluse zurecht, prüft ihr Dirndlkleid, die Schleife im Haar. Ein befreundetes Paar hat sie eingeladen, einen Medizinstudenten kennenzulernen, sofort hat sie dem Vorschlag zugestimmt, zu viert einen Ausflug zu machen. Es ist der Geburtstag ihrer verstorbenen Mutter, sie nimmt es als Zeichen, vielleicht wird sie ihrem Mann begegnen.

Der Medizinstudent stellte sich vor: „Ich bin Hannes, ein Bauernsohn aus Schwendendorf, noch nicht lang in Wien, das muss ich nicht sagen, das hörst‘ an mein‘ Dialekt.“
Elsa sieht ihm in die Augen und errötet: ‚Da ist er‘, denkt sie, ‚der Mann, um den ich gebetet habe, der Mann, den ich lieben werde!‘ Langsam streckt sie ihm die Hand entgegen. „Elsa“, mehr kann sie nicht sagen.
Er lächelt: „Ja, dann geh’n wir!“
Elsa betrachtet ihn verstohlen, die dunklen, gelockten Haare, die kräftige Gestalt, die schlichte Krawatte.
„Sie studieren Medizin?“
„Ja, das ist meine Berufung.“
„Wie schön! Ich bin nur Lehrerin.“
„Auch das ist ein begnadeter Beruf, eine wichtige Aufgabe, Kinder zu erziehen. Gerade jetzt braucht unsere Welt Menschen, die ihr Bestes geben.“
„Wenn wir Gutes tun, sind wir die Hände Gottes.“
Elsa erzählt, wie sehr ihr der Glaube geholfen hat. In all den schlimmen Jahren hat sie gebetet, gelernt, für ihre Brüder gesorgt und gebetet. Hannes spricht darüber, wie er aufgewachsen ist, streng und gläubig, mit langen Gebeten vor den Mahlzeiten und kaum ein Wort über anderes als das, was getan werden musste, die Bauern im Dorf seiner Eltern lebten nicht viel anders als im Mittelalter, meint er. Gott hat ihn heimkehren lassen aus Russland, hat ihn auf seiner Flucht beschützt, alles liegt in Gottes Hand, auch dieser Tag, an dem er sie kennen lernen darf.
Elsa strahlt, beschwingt geht sie an der Seite dieses Mannes, hängt an seinen Lippen, und sie bemerkt, wie sehr es ihn freut, wenn sie ihn anschaut.
Er bleibt stehen: „ich glaube, ich kann die Schönheit deiner Seele sehen … und mir kommt vor, wir beide gehören zusammen.“
Am Abend gehen die beiden am Abend in eine leere Kirche, Hand in Hand, versprechen, sie werden für immer zusammen bleiben. Sie danken Gott für das Glück, einander begegnet zu sein, dann stehen sie schweigend vor dem Altar. Er sagt leise, er habe so viel Einsamkeit erlebt, soviel Grauenhaftes durchgemacht, aber nun werde alles gut werden, hier in Wien beginnt ein neues Leben für ihn, dieses Leben will er mit ihr teilen.
Sie antwortet, sie habe schon geahnt, wie bedeutsam dieser Tag für sie sein würde, der Tag an dem ihre geliebte und so jung gestorbene Mutter geboren worden war. Ihre Familie habe schweres Schicksal erlitten, doch jetzt habe ihr Gott einen Mann geschickt. Und sie sagt, sie hat schon für ihn gebetet, noch bevor sie ihn kennengelernt hat, als er noch in Russland war, hat sie um Gottes Segen für seine Heimkehr gebeten.
Vor der Kirche bleiben die beiden stehen, nehmen einander an den Händen, sehen einander in die Augen.
„In deinen Augen sehe ich Reinheit und Liebe“, sagt er. Dann ist alles still. Leute gehen vorbei, Straßenbahnen kommen und fahren weiter, die beiden sind ineinander versunken, nehmen nichts anderes wahr als den Menschen, für den sie geschaffen sind …

…Kindersegen

Ich sehe mich einen mächtigen Fluss hinauftreiben. Das Wasser rauscht an mir vorbei, ich treibe stromaufwärts, dem Ursprung des Flusses entgegen. An den Ufern trommeln und tanzen schwarze Krieger, sie singen von meinen Kämpfen und meinem Scheitern, von meiner Wehmut und meinem Leistungsdrang, von meiner Suche nach Anerkennung und von meinem Glück. Plötzlich liegt eine riesige Frau in der Landschaft, und ich sehe, dass der Fluss ihrer Vagina entspringt. Da wird alles zu Licht, meine Augen schmerzen, zwischen den Beinen der Frau liege ich als Neugeborenes, allein, schreiend, der Kälte ausgeliefert.
Ich bin in einem kleinen Raum angekommen, ausgefüllt von einem weiß lackierten Stahlbett, in dem Mutter schwer atmet, dahinter ein Holztisch und ein Waschbecken, sie atmet schwer. In einem weißen Mantel sitzt Vater daneben, Schweißtropfen auf der Stirne. Eine Frau legt mich auf eine Waage, horcht meine Lungen ab, prüft meine Arme und Beine und steckt mich in ein Strampelkissen. „Ein gesunder Junge!“, sagt sie zu Mutter, „Jetzt können Sie ihn stillen.“
Mutter drückt mich an sich, lächelt, an ihrer Brust komme ich zur Ruhe. „Unser Zweiter“, sagt Vater zärtlich und nach einer kleinen Pause: „Siehst du, Elsa, ich hab dir gesagt, dass es beim zweiten Kind leichter geht.“ Er berührt Mutters Wange, und sie legt den Kopf in seine Hand.
„Gut, dass du dabei sein konntest!“
Die weiß gekleidete Frau ist gerade dabei, das Zimmer zu verlassen, sie dreht sich um. „Das war eine Ausnahme! Normalerweise lassen wir keine Medizinstudenten bei der Geburt dabei sein. Ordnung muss sein in der besten Wiener Klinik.“ Mit gerunzelter Stirn unter dem weißen Häubchen verlässt sie den Raum.
„Du wirst sehen, in einem Jahr bin ich Arzt. Dann wird alles anders.“ Vater streichelt meinen winzigen Kopf. „Aus dir wird auch einmal etwas Besonderes! Vielleicht ein Missionar, der den Glauben auf die andere Seite der Erde bringt, Raphael sollst du heißen, mein Sohn!“
Meine Eltern sehen mich an und gemeinsam sprechen sie ein Dankgebet. Dann schläft Mutter ein, Vater steht leise auf, geht hinaus, schaut noch mal zurück auf mich, und behutsam drückt er die Türe zu.
Vor der Klinik fährt ein offener Jeep mit vier fremden Soldaten vorbei, jeder von ihnen in der Uniform eines anderen Landes. Vater winkt den Soldaten zu und sagt leise: „Meine Söhne wachsen in einem freien Land auf, in Frieden.“
Die Soldaten winken zurück, alle vier.
Vater macht sich auf den Heimweg, hat ein gutes Stück zu gehen quer durch Wien, beschwingt schreitet er durch die Straßen, überall rot‐weiß‐rote Fahnen, da und dort ein Baum in Blüten, Zeitungsverkäufer rufen: „Sonderausgabe! Alles über den Staatsvertrag. Österreich ist frei!“ …

…Die rote Trompete

Anna umarmte mich, küsste meine Narben. Ich schloss die Augen, unsere Lippen fanden sich, ich atmete tief, atmete ihre Wärme, atmete ihre Liebe.
Wir gingen Hand in Hand, schlenderten schweigend durch Wien, kamen zu einem Kirchplatz, es war Kirtag, mit Marktständen, Imbissbuden und Ringelspiel. Ein Stand mit Kinderspielzeug zog mich an, Tand in grellen Farben zu überteuerten Preisen, darunter kleine Musikinstrumente aus Plastik, geeignet nur, um Lärm zu machen. Auch eine rote Trompete war dabei, da fiel mir eine Begebenheit meiner Kindheit ein.
Ich war etwa sechs Jahre alt, mein Bruder und ich hatten vielleicht zum ersten Mal Taschengeld bekommen und durften ein paar Minuten früher als die Eltern zur Kirche gehen. Es war Kirtag, wir hatten nichts davon gewusst und standen staunend inmitten von Marktständen, Imbissbuden und Ringelspiel. Ein Stand mit Kinderspielzeug zog mich an, Musikinstrumente aus Plastik, auch eine rote Trompete war dabei, mit der würde ich sicher gut spielen können. Ich sagte zu meinem älteren Bruder, wir könnten unser Geld zusammenlegen und diese Trompete kaufen, er gab mir sein Geld, und stolz kaufte ich die Trompete.
Wenig später kam Mutter, wir liefen hin zu ihr, voll Freude zeigte ich ihr das Instrument. Doch Mutter war böse, sie nahm mir das Ding aus der Hand, schimpfte den fahrenden Händler, dass er Kindern solchen Ramsch zu überteuertem Preis verkaufe, verlangte von ihm, die Trompete zurückzunehmen. Das tat er nicht, beschämt und traurig sah ich zu. So blieb dieses Spielzeug bei mir, nach der Kirche trug ich es heim, ich wusste nicht mehr, was tun damit. Mutters Ärger war mächtig, im Stiegenhaus neben unserer Wohnungstür ließ ich die Trompete stehen, in unsere Wohnung passte sie nicht.
Am nächsten Tag ging ich nachsehen, ob die Trompete noch da wäre, ich hätte sie dann doch in die Wohnung hereingeholt, doch ich fand sie nicht mehr, die Trompete war weg.

Diese Geschichte erzählte ich meiner Liebsten.
„Warte!“, sagte sie und lief zum Spielzeugstand, lächelnd kam sie zurück, eine rote Trompete in der Hand, hielt sie mir vor den Mund und flüsterte mir ins Ohr: „Für den kleinen Raphael!“
Der kleine Raphael strahlte über das ganze Gesicht. Ich rieb meine Nase an Annas Wange, legte meine Arme um ihre Schultern. Rund um uns schoben sich die Menschen vorbei, Kinder lachten, die Musik des Ringelspiels antwortete ihnen.
Die Trompete nahm ich mit nach Hause, dort bekam sie einen Ehrenplatz. Für Anna zeichnete ich ein Bild, vom kleinen sechsjährigen Buben vor der Kirche, der mit erhobenem Kopf die Trompete bläst.
‚Jetzt ist alles gut‘, schrieb ich darunter.

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